Das Ziel heißt: Gute Arbeit
Am 7. Oktober ist der Welttag der menschenwürdigen Arbeit. Wie müssen Arbeitsbedingungen sein, damit sie „menschenwürdig“ sind?
In Österreich ist das Arbeits- und Sozialrecht relativ gut ausgebaut, und ich kann mich sehr gut an das ungläubige Staunen einer Inderin beim Besuch der AK-Steiermark erinnern, die mich fragte: „You are the workers in Austria?“ Aber wir stehen längst in weltweiter Konkurrenz, wodurch prekäre und völlig ungesicherte Arbeitsbedingungen ständig steigen. Um also keinen falschen Eindruck zu erwecken: Auch in Österreich kämpfen wir täglich darum, dass Arbeit die Würde des Menschen garantiert, für ein gerechtes Einkommen sorgt und auch Umwelt und Klima nicht schädigt. Das Ziel heißt: „Gute Arbeit“.
Aus anderen Teilen der Welt hört man von Kinderarbeit, lebensgefährlichen Bedingungen in Bergwerken oder Arbeitstagen von zwölf und mehr Stunden in der Textilindustrie. Wie ist die Situation in Österreich und in der EU? Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
Da komme ich auf das Staunen der Inderin zurück. Es bedeutet offensichtlich etwas völlig anderes, in anderen Teilen der Welt Arbeiter zu sein, als bei uns. Leider muss sich die Internationale Arbeitsorganisation auch am Beginn des 21. Jahrhunderts mit Kinderarbeit, Sklavenarbeit und ähnlichen Grauslichkeiten befassen. Versuche, hier rigoros durchzugreifen, haben lediglich die Bedrohung der Kinder in Richtung Menschenhandel und Prostitution verschoben. Also braucht es weiterhin eine konsequente Haltung, um Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die EU kann mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie die 2017 in Göteborg beschlossene „Säule sozialer Rechte“ in allen Mitgliedsländern umsetzt.
Wie wirkt sich die aktuelle Situation rund um die Corona-Maßnahmen aus? Worauf ist aus Sicht des Arbeitnehmervertreters zu achten?
Auch wenn es aktuell für von Arbeitslosigkeit Betroffene nur ein schwacher Trost ist, haben wir in Österreich mit dem Modell der Kurzarbeit hunderttausende Arbeitsplätze erhalten können. In der Krise waren die Sozialpartner erfolgreich. Derzeit ist zum Beispiel Home-Office neu zu regeln, weil die Arbeit der Zukunft immer weniger an Ort und Zeit gebunden ist, das heißt, unsere ganzen Lebensabläufe werden sich ändern. Besonders in der „digitalen Welt“ müssen wir um menschenwürdige Arbeitsbedingungen kämpfen.
Du bist Generalsekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter/innen (FCG) im ÖGB. Wie sehr zeigt sich der christliche Hintergrund in eurer täglichen Arbeit?
Wir haben die Corona-Krise genutzt, um einen „Soziallehre-Fahrplan“ zu erstellen, der Wege aus der Krise aufzeigt. Auf der Homepage der FCG oder in unserem neuen Blog „Vorrang Mensch“ finden sich dazu sieben Stationen, die unsere Wertebasis bilden. Das reicht von der ersten Station, dem obersten Prinzip der Soziallehre, dass der Mensch mit seiner Würde und seinen Rechten im Mittelpunkt steht, bis zur siebenten Station, der Nachhaltigkeit. Natürlich tragen wir diese Werte nicht wie eine Monstranz vor uns her, aber wer jemals ein ernsthaftes Gespräch oder gar eine Verhandlung geführt hat, wie zum Beispiel bei Kollektivverträgen oder Sozialpartner-Dialogen, weiß, dass eine solide Basis wichtig ist. Und meist ist es auch dem Gegenüber lieber, kein „Wischi-Waschi“ zu hören, sondern klare Positionen.
Das Interview ist dem Sonntagsblatt vom 4. Oktober 2020 (Nr. 40) entnommen.