Ein gutes Leben für alle, aber wie?
Wir alle sind konfrontiert mit einer Welt, in der nichts mehr beständig erscheint und alte Sicherheiten sich auflösen. Die Veränderung ist omnipräsent und wird zur Normalität. Die permanente Beschleunigung dieser gesellschaftlichen Dynamiken führt zu Unsicherheit und Überforderung. Viele Menschen leiden unter diesen Umständen und es wird ein Gefühl verstärkt, welches die menschliche Existenz massiv anleitet und bestimmt: das Gefühl der Angst.
Es stellt sich daher die Frage mit welchen Maßnahmen und Instrumenten die Politik den Menschen in Österreich ein gutes Leben ermöglichen kann.
Dieser Frage ist die KAB Steiermark, zusammen mit dem diözesanen Fonds für Arbeit und Bildung, bei einer Veranstaltung im Franziskanerkloster in Graz nachgegangen. Namhafte Expert:innen waren zu einem Austausch über die Themenstellungen der allgemeinen Existenzsicherung und den Auswirkungen der möglichen Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens geladen.
Martin Hochegger, Vorsitzender der KAB Steiermark und Moderator des Abends, wies in seiner Einführung darauf hin, dass ein Volksbegehren zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens im heurigen Mai von über 160 000 Menschen unterschrieben worden ist. Zuletzt sei das Volksbegehren im Nationalrat behandelt worden. Allerdings hätten alle Parteien die Einführung abgelehnt und unterschiedliche Gründe dafür angeführt.
Das Bedingungslose Grundeinkommen war ja zuletzt auch von Papst Franziskus angestoßen worden. Die Einführung eines solchen wurde in Österreich seit den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts in katholischen Kreisen rund um die katholische Sozialakademie immer wieder thematisiert. Darauf hat Mag.a. Anna Wall – Strasser als Vorsitzende der KAB Österreich in ihrem Eingangsstatement hingewiesen. Jeder Mensch, der in Österreich lebt, hätte ein Recht auf eine bedingungslose bedarfsorientierte Unterstützung, so Wall-Strasser. Dies wäre auch eine Maßnahme um alle Erwachsenen aus bestimmten Zwängen im Arbeitsleben zu befreien und Lust auf sinnstiftende Arbeit zu machen. Es wäre auch eine zielgerichtete Maßnahme um ein besseres Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit und derzeit unbezahlter Sorgearbeit zu erreichen.
Damit könnte ein wesentlicher Schritt in Richtung Gleichstellung zwischen Männer und Frauen erreicht werden. Auf diesen Aspekt hat Mag.a Melina Klaus vom „Netzwerk Grundeinkommen“ in ihrem Statement hingewiesen. Sie plädierte stark für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Es ginge darum den Menschen aus diversen Zwängen und Abhängigkeiten zu befreien und gleichzeitig Sicherheit zu geben. Es sei grundsätzlich eine Frage des Menschenbildes.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch eine wichtige Maßnahme um gegen die sich ausbreitende Kinderarmut entgegen wirken zu können. Weiters sprach sie einen aktuell anlaufenden Modellversuch in Katalonien an. Die dortige Provinzregierung hat einen Modellversuch beschlossen, der alle bisherigen Versuche, was sowohl den Umfang als auch die Ausgestaltung betrifft, übertreffen würde. Es würden 5000 Menschen in diesem Modellversuch miteinbezogen.
Abschließend wies sie darauf hin, dass mittlerweile in über 70 Ländern entsprechende Initiativen und Vereine gebe, die eine Einführung eines Grundeinkommens fordern würden.
Die Notwendigkeit zu verstärkten Maßnahmen gegen die Kinderarmut teilten auch die nachfolgenden Experten wie Dr. Werner Anzenberger von der Arbeiterkammer Steiermark und Dr. Nikolaus Dimmel, Sozialrechtsexperte an der UNI Salzburg.
Dr. Anzenberger zweifelte in seiner Wortmeldung die Finanzierbarkeit eines Grund-einkommens an. Die Arbeiterkammer hätte errechnet, dass allein die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde und die Kosten für freien Schulzugang, Mietunterstützung und viele andere derzeitige Sozialleistungen wären dabei noch gar nicht abgedeckt. Es würde damit ein Sozialabbau und keine Verbesserung erreicht werden.
Auf die Unfinanzierbarkeit wies auch Mag. Eric Kirschner, Ökonom und Studienautor von Joanneum Research, hin. Er sei strikt gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Jeder und jede müsse für die Gesellschaft eine Leistung erbringen. Die Idee eines Grundeinkommens hätte Charme, sei aber naiv, da sie von zu vielen Menschen ausgenützt werden würde – Stichwort „Sozialschmarotzer“.
Dr. Nikolaus Dimmel kritisierte in seiner Wortmeldung die Marktgläubigkeit und das kapitalistische Wirtschaftsmodell grundsätzlich. Gerade die Vorkommnisse rund um die Pandemie und der jetzigen Energiekrise hätten gezeigt, dass der Markt mit der Regulierung existenzieller Bereiche überfordert sei.
Es müsse vielmehr die Verteilungs- und Eigentumsfrage gestellt werden. Zusätzlich sprach er noch die Notwendigkeit der Einführung von Mindestlöhnen, einer radikalen Arbeitszeitverkürzung, eine deutliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes und einer Neubewertung der Care-Arbeit an.
Mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens allein würde das ausbeuterische System gegenüber Mensch und Natur nicht überwunden werden können.
In der anschließenden Publikumsdiskussion wurden Argumente für und wider der Einführung des BGE verstärkt.
Exemplarisch dazu eine Wortmeldung: „Dieses Thema beschäftigt mich seit vielen Jahren. Heute wurden wichtige Fragen beantwortet: Gleichzeitig haben sich viele neue Fragen aufgetan“.
Die Fragestellung nach einem guten Leben für alle geht also weiter.
Die KAB wird dran bleiben.
Martin Hochegger