Waffenstillstand in Gaza - hält die Hoffnung auf Frieden?
Nach dem Überfall der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 mit
1139 überwiegend israelischen Todesopfern und der Entführung von
250 Menschen als Geiseln sind bei den israelischen Vergeltungsangriffen
auf den Gazastreifen ca. 70.000 Menschen ums Leben gekommen, davon
mehr als 20.000 Kinder. 70% der Gebäude des Gaza-Streifens wurden
laut einer Analyse des ARD beschädigt oder zerstört, 90% der 2,2 Mio
Einwohner:innen wiederholt innerhalb des eigenen Landes vertrieben.
Hilfslieferungen wurden blockiert, sodass im August laut UNICEF 12.000
Kinder unter fünf Jahren mit Mangelernährung diagnostiziert wurden.
Auch israelische Menschenrechtsorganisationen wie B’tselem und Ärzte für
Menschenrechte Israel bezeichnen das Vorgehen als Genozid.
Waffenstillstand unter Druck von außen
Seit dem 10. Oktober herrscht nun auf internationalen Druck
Waffenstillstand zwischen der Hamas und der israelischen Regierung.
Im Rahmen der Waffenstillstandsvereinbarung wurden die zwanzig noch
lebenden Geiseln an Israel übergeben, Israel hat ca. 2000 Palästinenser
freigelassen, von denen 1750 ohne Anklage in israelischen Gefängnissen
festgehalten wurden.
Noch im September haben zahlreiche Staaten – darunter solche mit
hohem internationalen Gewicht wie Frankreich, Großbritannien, Kanada
und Australien – einen Palästinenserstaat anerkannt. Die Regierung
Netanyahu hat allerdings eine Zweistaatenlösung für obsolet erklärt und
als Gegenmaßnahme u.a. die Errichtung weiterer jüdischer Siedlungen im
besetzten Westjordanland angekündigt.
Wenig Raum für Perspektiven?
Damit ist die Frage, ob aus dem Waffenstillstand ein dauerhafter Frieden
werden kann, weiterhin offen. Die Hamas rückt zumindest offiziell nicht
von ihrem Ziel, Israel zu zerstören, ab und widersetzt sich auch ihrer
Entwaffnung, will die Waffen aber fünf bis zehn Jahre nicht einsetzen
und einem arabischen Komitee zur Kontrolle übergeben. Die Netanyahu-
Regierung scheint zumindest vorerst nicht mehr ihr ursprünglich
deklariertes Ziel zu verfolgen, die Hamas physisch zu vernichten. Sie
lehnt aber auch eine Übergabe der Macht im Gazastreifen an die palästinensische
Autonomiebehörde ebenso wie die Zweistaatenlösung ab.
Das führt uns zu einer Reihe von Fragen: Welche Perspektiven gibt
es für die Menschen in den Palästinensergebieten und im Staat Israel
in dieser Blockadesituation? Wie steht es in dieser Situation um die
Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts? Und: Welche Motive
haben die lokalen und internationalen Akteure, welche Ziele streben sie
an – und ist unter den aktuellen Umständen ein nachhaltiger Frieden
möglich?
Diese Fragen möchten wir mit dem Politikwissenschaftler Dr. Thomas
Schmidinger, der Stellvertr. Leiterin des Instituts für Völkerrecht und
Internationale Beziehungen Assoz.-Prof.in Dr. jur. Yvonne Karimi-Schmidt
und dem Grazer Völkerrechtler Univ.-Prof. i. R. Dr. Wolfgang Benedek
diskutieren.