Was passiert mit einer Gesellschaft nach dem Krieg? Mit ihrem juristischen und gesellschaftspolitischen Blick auf die Entnazifizierung in Österreich eröffnete Claudia Kuretsidis-Haider vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands das „Übergänge“-Symposium anlässlich von 80 Jahre Kriegsende und Neubeginn. Eine Veranstaltung, so Ko-Organisator Florian Traussnig, die angesichts der Krise der Demokratie kein schulterklopfendes Ritual, sondern brandaktuell ist. Die „transitional justice“ zwischen Diktatur und Demokratie als „Vergangenheitsbewältigung durch Recht“ wollte dem „Vergessen entgegenwirken, Verantwortlichkeit festlegen und Opfer anerkennen“, so die Historikerin in ihrem instruktiven Vortrag, der grundlegende Fakten und Zahlen zur NS-Verstrickung unserer Gesellschaft lieferte. Nach einer durchaus intensiven ersten Phase mit rund 137.000 eingeleiteten „Volksgerichts“-Verfahren und 13.600 Schuldsprüchen ebbte die Entnazifizierung Mitte der 1950er Jahre ab – „das Verdrängen oder Vergessen kann auch ein Instrument des Übergangs sein“ sein, so Kuretsidis-Haider, die aber ergänzte: „Wir schulden den Opfern Rechtssicherheit.“
Bei der Langen Nacht der Kirchen am Freitag, 23. Mai, hat die KAB eingeladen, sich auf einem öffentlichen Platz für den Frieden aufzustellen. Am Schloßbergplatz wurden bei kühlem Wetter Kerzen entzündet, und ca. 20 Personen stellten sich für einige Zeit ganz bewusst für den Frieden auf. Zum Friedensgebet von Franz von Assisi ("Herr mache mich zum Werkzeug deines Friedens") war es für alle Teilnehmenden beeindruckend, in Stille einige Minuten auf dem Platz zu stehen, um gemeinsam für Frieden zu beten. Ivan Bonic sorgte für die musikalische Umrahmung, die evangelische Theologin Bernadette Pfingstl spendete den Segen.
Symposium zu 80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg & Neubeginn
„Und hier würde man zeigen können: […] Besetzung, Ordnung und Friede, Schluß mit dem Terror der Nazis. Hier würde man demonstrieren können: demokratische Anfänge, neue Leute in den Behörden, Wiederaufbau.“ Stefan Heym, NS-Flüchtling und alliierter Befreier
„Was passiert mit einer Gesellschaft in der Übergangsphase nach dem Krieg?“ Claudia Kuretsidis-Haider, Historikerin
Der Frage, wie man eine von Diktatur, Krieg und Verwerfungen geprägte Gesellschaft wieder auf einen demokratischen Weg bringen kann, gehen wir bei diesem interdisziplinären Symposium im Grazer Minoritenzentrum vielstimmig nach. Angesichts der aktuellen Bedrohungen der - unserer! - Demokratie ist dies beileibe keine selbstgenügsame Rückschau auf 80 Jahre Kriegsende oder ein "historisierendes" Ritual, sondern eine Frage von brennender Aktualität. Herzliche Einladung!
11:00 bis 13:00 Uhr Panel 1: Theorie & Grand Narratives
Juristische und gesellschaftspolitische Aspekte der Entnazifizierung in Österreich
Claudia Kuretsidis-Haider (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, Wien)
US-amerikanisches 'Nation Building' und Wiederaufbau nach dem Krieg: Der Marshall-Plan in Österreich Günter Bischof (New Orleans)
Von der Schuld zum Opfer-Mythos
Helmut Konrad (Graz)
Demokratie des Missmuts. Vom Niedergang des Nachkriegsoptimismus
Peter Strasser (Graz)
Chair: Florian Traussnig
Ort: Kleiner Minoritensaal
Snacks & Kaffeepause
14:00 – 15:30 Uhr Panel 2: Case Studies & Einblicke
Der Fall Aachen 1944/45: Zwei Exilsoldaten an der besatzungspolitischen Nahtstelle zwischen Diktatur und Demokratie
Florian Traussnig (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung & Bildungsforum M., Graz)
Die Rolle der Kirchen hin zur Demokratie - eine Überraschung?
Werner Anzenberger (Kammer für Arbeiter und Angestellte, Graz)
Roter Stern über Graz: Herausforderungen der Zeitenwende im Mai 1945
Barbara Stelzl-Marx (Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung & Uni Graz)
Chair: Martin Hochegger
Ort: Arkadensaal (Kleiner Minoritensaal)
Kaffeepause
16:00 – 17:00 Talk:Täterschaft und Verdrängung
Begrüßung:Walter Prügger, Kathrin Karloff, Johannes Rauchenberger
Wieviel Verdrängung braucht eine Täter- und Täterinnengesellschaft?
Adelheid Kastner (Kepler Universitätsklinikum Linz) & Manfred Prisching (Graz)
Moderation: Christian Weniger (Kleine Zeitung)
Ort: Großer Minoritensaal
Eintritt € 15,00 (Zutritt zu einem oder allen Programmpunkten), Studierende kostenfrei. Anmeldung ist erforderlich!
Nein zur Paketzustellung am Sonntag in Wien, Linz und Graz – die Katholische Kirche warnt vor dem Verlust des wichtigsten arbeitsfreien Tages.
„Sonn- und Feiertage sind bereits für viele Menschen Arbeitstage. Bei systemrelevanten Berufen kommen wir nicht drum herum und all diesen Beschäftigten muss man dankbar sein. Aber ob die Post am Sonntag zustellen muss, wie das in mehreren Landeshauptstädten angedacht ist (Wien, Linz, Graz), das kann man bezweifeln. Als ob man auf eine Lieferung nicht bis Montag warten könnte. Als ob die schnellste Befriedigung des Konsums das Wichtigste im Leben wäre“, so Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl. Er ist kirchlicher Sprecher österreichweiten „Allianz für den freien Sonntag“.
Einblicke in die unterschiedlichen Forschungs-Schwerpunkte von Religionswissenschaft und Theologie ermöglichte gestern der 8. KAB+Nachmittagsdialog in Graz-Andritz mit der Grazer Univ. Prof. DDr. Theresia Heimerl: Während sich die Theologen mehr auf die inneren Gegebenheiten einer Konfession konzentrieren, richtet sich das Forschungsinteresse der Religionswissenschaftler mehr von außen auf die verschiedenen Religionen in der Gesellschaft, wobei Frau Heimerl auch als promovierte Fachtheologin zu Publikumsanfragen aus dem katholischen Bereich Stellung beziehen konnte. Für die z.B. von manchen Frauen gewünschte Priesterinnen-Weihe machte sie wenig Hoffnung: Der vom katholischen Lehramt seit Jahrhunderten festgeschriebene Wesens-Unterschied von Mann und Frau stehe diesem Wunsch deutlich entgegen – so gesehen erwarte sie auch vom neu gewählten Papst Leo XIV. keine Richtungsänderung...
Diskussionsleiter Johannes Labner erinnerte in diesem Zusammenhang auch das Buch „Die Täuschung“ des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke, der vom übertriebenen Hoffnung des „Synodalen Weg“ in Deutschland warnte – andererseits mit dem SPIEGEL-Bestseller „Unter Heiden – Warum ich trotzdem Christ bleibe“ des Journalisten Tobias Haberl ein ermutigendes Bekenntnis zum christlichen Engagement in Kirche und Gesellschaft vorliege.
Im Gespräch mit Friedensbewegten und Klima-Engagierten waren kürzlich auch Vorstandsmitglieder der KAB Steiermark bei der Konferenz des Netzwerks für Friedensforschung und Konfliktbearbeitung in Österreich (NEFKÖ) im Afro-Asiatischen Institut in Graz: Arno Niesner leitete den Workshop „Demokratie gemeinsam stärken für Klimaschutz und Friedensförderung“, Hannes Labner lud mit Verweis auf die päpstlichen Aussagen von Papst Franziskus zu Friede und Schöpfungsverantwortung ein, verstärkt auch den Dialog mit christlich engagierten Gruppen zu suchen.